Über sexuelle Handlungen offen zu sprechen, ist enorm schambesetzt und die Wahrscheinlich- keit, dass geäußerte Vorfälle erfunden sind, ist äußerst gering. Und selbst dann ist es wichtig, den Menschen vollumfänglich ernst zu nehmen, das Gewissen zu aktivieren und Korrekturen in Aussagen zu ermöglichen. Um die Chance zu erhöhen, aus dem Dilemma der Ungewissheit herauszukommen, ist die Dif- ferenzierung von Fällen wichtig. Bei Grenzverlet- zungen ist wichtig, dass der Mensch, der unter Verdacht steht, auch die Möglichkeit bekommt, sein Verhalten zu korrigieren und sich glaubhaft zu entschuldigen. Das verstehen wir unter Ent- schuldigungskultur. Damit erhöht sich die Möglichkeit einer frühen Aufdeckung von Fehlverhalten und gibt Men- schen die Chance rehabilitiert zu werden. Im Fall von übergriffigem oder gar nötigendem Verhalten sind in Absprache mit der betroffenen Person Konsequenzen zu ziehen. Diese müssen die/den Betroffenen und potenziell weitere Be- troffene schützen, zum Beispiel durch Ausschluss der Person unter Verdacht aus dem Verein. Ein Ausschluss kann zeitlich befristet sein, sich auf eine konkrete Tätigkeit beziehen oder insgesamt aus der DLRG erfolgen. Wir sprechen generell von Betroffenen einer- seits und andererseits von einem „Menschen unter Verdacht“ / einer „Person unter Verdacht”, weil die Tat an sich noch nicht nachgewiesen ist. m o c . e b o d a . k c o t s - n o i t r o t o m © Ein Mindestmaß an Kommunikation zum The- ma sexualisierter Gewalt sollte auch ohne Fall- aufkommen (beispielsweise bei Gremien, über Faltblätter, Plakate, Infoabende) sichergestellt werden. Ein offener Umgang schränkt die Hand- lungsspielräume für Täter/innen ein und stärkt die Ansprechpersonen, Mitarbeitenden und alle Mitglieder, insbesondere auch Eltern, Kinder und Jugendliche. Außerdem signalisiert Offen- heit den Betroffenen, dass sie ein offenes Ohr und Unterstützung erwartet. m o c . e b o d a . k c o t s - z z e m r o P © Wir vertreten den Grundsatz: Im Zweifel für die Betroffenen! Die DLRG vertritt eine betroffenengerechte Hal- tung. Das bedeutet, handlungsleitend ist immer die Perspektive der betroffenen Person. Es ist entscheidend, welches Verhalten vom betroffe- nen Menschen grenzverletzend, übergriffig oder nötigend empfunden wird. Vorfälle sexualisier- ter Gewalt können nie „objektiv“ von Außenste- henden beurteilt werden und eine „lückenlose“ Aufklärung bzw. Ermittlung ist weder möglich noch Ziel von Prävention und Interaktion. Aufkommende Verdachtsmomente stürzen häu- fig alle Personen der Organisation, zum Beispiel in einer Gliederung, in ein Dilemma zwischen „glauben wollen“ und „nicht wissen können“. Betroffenengerechtes Handeln setzt voraus, Verständnis für Betroffene zu zeigen, einen an- gemessenen Umgang mit dem Thema zu finden und sexistische Zustände, die sexualisierte Ge- walt befördern, möglichst gar nicht aufkommen zu lassen bzw. klar zu verurteilen. 20