lebe, wenn ich so tue als wäre nichts und habe dann viele Menschen angesteckt und bin – wenn auch nicht bewusst – für deren schwere Erkrankung oder deren Tod mit verantwortlich. Und wir sind eine Rettungsorganisation. Die ist man, wenn man mit ganzem Herzen, so wie unsere Kameradinnen und Kameraden, dabei ist. Dann wird man – auch wenn man zwei- felt – durchhalten und weitermachen, um in einer Zeit, wenn wir das Virus im Griff haben werden, die Aufgaben weiterzufüh- ren. Größere Sorgen macht mir eine Generation, die Ehrenamt nicht mehr lernt, die nicht herangeführt wird, weil im Moment nichts stattfindet. Da sind unsere Ausbildung und unser Einsatz gefragt, die Grundlagen zu legen, dass Ehrenamt weiter ausge- führt wird. Dass die DLRG am Ende des Krisenjahres 2020 weniger Mitglieder zählen würde, stand zu befürchten. Wie bewertest du den Rückgang um mehr als 23.000 Mitglieder? Prinzipiell ist jedes Mitglied, das wir verlieren, eines zu viel. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass manche Men- schen keine Gegenleistung bringen, wenn die Leistung aus- bleibt. Das ist schade. Ich kann immer nur appellieren, dass wir mehr sind als ein Verein. Wir sind in Vereinsform gegossen, aber wir tun ein Vielfaches mehr. Wer mitmachen möchte, tut nicht nur sich, sondern allen anderen etwas Gutes. »Ich habe mich wahnsinnig gefreut.« – Achim Haag über seine Wahl zum Präsidenten im Jahr 2017. Du hast dich während deiner Amtszeit dafür eingesetzt, dass wieder mehr Kinder das Schwimmen richtig lernen. Nun war das im vergangenen Jahr kaum möglich. Erwartest du einen Rückschritt auf dem Weg zu mehr sicheren Schwimmern? Wenn wir nicht so schnell vorankommen, wie wir wollen, dann würde ich das auch als Rückschritt sehen. Doch mit der Verant- wortung für uns und andere, was die Ansteckung betrifft, muss- ten wir natürlich Tribut zollen. Ich bin sicher, dass die Kamera- dinnen und Kameraden alles tun werden, um weiterhin auszubilden und Prüfungen abzunehmen. Ich glaube schon, dass wir eine Bugwelle an Nichtschwimmern vor uns her schie- ben. Wir müssen alles tun, dass unsere Schwimmbäder wieder geöffnet werden, sobald es irgend möglich ist. Sonst laufen wir n achgefragt auch in Gefahr, denn wer nicht schwimmen gelernt hat, der kann auch kein Rettungsschwimmer werden. Wir brauchen den Nachwuchs, der uns die Mitglieder sichern wird. Da werden wir eine riesengroße Portion Arbeit bekommen. Vor der Pandemie recht erfolgreich lief die Kampagne »Rettet die Bäder«. Nun muss der Staat viele hunderte Milliarden zur Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen investieren. Auch die finanzielle Situation vieler Kommunen dürfte sich dramatisch verschlechtern. Befürchtest du, dass Corona die bisherigen Teilerfolge zunichtemachen könnte? Ich glaube nicht, dass sie zunichtegemacht werden. Wir müssen natürlich etwas Geduld haben. Sicher werden die Kommunen die Mittel, die sie hatten, auch in die Pandemiebekämpfung hin- eingegeben haben. Aber wir haben inzwischen sehr inten sive Kontakte, insbesondere zur kommunalen Ebene, aufgebaut. Die müssen wir aufrechterhalten, damit wir im Gespräch blei- ben. Ich bin sicher, dass Kommunen heute Adjektive wie »le- benswert« brauchen, um Bürgerinnen und Bürger zu begeis- tern. Da gehört auch ein Schwimmbad dazu. Du selbst wirst auf der Bundestagung im Oktober nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren. Was waren deine Beweggründe für diese Entscheidung? Ich durfte den Verband führen, als mein Freund und Vorgänger Hans-Hubert Hatje schwer erkrankte. Danach bekam ich eine einstimmige Zustimmung auf der Bundestagung 2017 in Ham- burg, worüber ich mich wahnsinnig gefreut habe. Seitdem ha- ben wir viel bewegen und die DLRG – wie ich finde – gemein- sam herausragend nach außen darstellen können. Jede und jeder, das gilt ehrenamtlich wie hauptamtlich, hat das Seine dazu beigetragen. Jetzt kommen wir aber in eine neue Phase. Es gibt viele Wünsche, was Organisationsformen und Ähnliches betrifft. Da muss ich einfach auch mal auf meinen Geburtsjahr- gang gucken, der ist 1955. Ich bin seit 2009 im Präsidium und habe immer gesagt, zwischen zehn und zwölf Jahre ist die Zeit, die man in einem Spitzenamt verbringen sollte. Gott sei Dank haben wir eine Crew, die bereit ist, zu übernehmen. Jetzt sollen frische Kräfte ran. Die können auch mal gegen den Wind kreu- zen oder vor dem Wind fahren. Wenn wir dies tun, kommen wir in beiden Fällen vorwärts, in beiden Fällen wird es der DLRG gut gehen. Das Amt ist kein Selbstzweck. Ich bekam die Ehre, ich hatte die Ehre, es wird mir eine Ehre gewesen sein. Wirst du nach deinem Ausscheiden aus dem Amt der DLRG erhalten bleiben? Ich bleibe natürlich Mitglied. Ich werde sicher wieder meinen Wachdienst am Laacher See machen und weiter Rettungsboot fahren, gehe auch zurück in meine Ortsgruppe und werde unter Umständen auch an den Beckenrand zurückkehren. Auch mit den Kandidaten für das künftige Präsidium gibt es Gespräche darüber, die eine oder andere Aufgabe zu übernehmen. Vielen Dank für das Gespräch. Das hier in Auszügen abgedruckte Interview führte Presse sprecher Achim Wiese während einer Aufzeichnung für den DLRG-Podcast »Im Gespräch«. Die ganze Fassung könnt ihr am 3. April 2021 hören – auf dlrg.de/podcast oder überall, wo es Podcasts gibt. Lebensretter 1 . 2021 17